Nina Warken und die Gegenrechnung

Von Heinz Stüwe

Nina Warken auf der Medica 2025
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken beim Deutschen Krankenhaustag auf der Medica 2025 ©Heinz Stüwe

Gerald Gaß hat beim Deutschen Krankenhaustag 2025 in Düsseldorf den Ton gesetzt, noch bevor Bundesgesundheitsministerin Nina Warken überhaupt angekommen ist. Ihrem Vorgänger Karl Lauterbach hatte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) immer wieder mangelnde Dialogbereitschaft angelastet. Mit der neuen Ministerin hoffte Gaß auf bessere Zeiten. Ein halbes Jahr ist die CDU-Politikerin aus dem Südwesten der Republik nun im Amt, und der oberste Lobbyist der Klinikträger zeigt sich „in Teilen etwas ernüchtert.“

Bei den Korrekturen der Lauterbachschen Krankenhausreform, die Warken auf den Weg gebracht hat, legt die Ministerin nach Gaß‘ Darstellung eine ähnliche Praxis an den Tag wie Lauterbach: „Wir wurden nur am Rande einbezogen.“ Das Krankenhausreformanpassungesetz betrachtet er als Verschärfung der Reform. Untaugliche Instrumente blieben erhalten. Für falsch ausgestaltet halten die Klinikmanager die Vorhaltefinanzierung, die solchen Krankenhäusern auf dem Land das Überleben sichern sollen, die für eine flächendeckende Versorgung notwendig sind, die sich aber allein aus den Einnahmen der Behandlungsfälle wirtschaftlich nicht tragen.

Die Krankenhäuser und die Milliarden

Gerald Gaß am Deutschen Krankenhaustag 2025
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft © Heinz Stüwe

Richtig zornig sind die Klinikgeschäftsführer aber darüber, dass die Bundesregierung den Krankenhäusern kurzfristig einen Sparbeitrag von 1,8 Milliarden Euro auferlegt hat, der sich in den kommenden Jahren fortsetzt. Die in den Verhandlungen mit den Krankenkassen mögliche Anhebung der Preise wird entsprechend gedeckelt. Auf der anderen Seite erhalten die Kliniken insgesamt vier Milliarden Euro als einmalige Zahlung, um seit der Coronapandemie entstandenen Defizite auszugleichen. „Vier Milliarden Euro wurden versprochen, 1,8 Milliarden Euro nimmt man durch das Spardiktat der Regierung direkt wieder weg. Das ist das Gegenteil von Verlässlichkeit“, schimpfte Gaß. Er sagte als Folge des „Wortbruchs“ die Schließung von Abteilungen und ganzen Krankenhäusern voraus – unabhängig davon, ob sie für die Versorgung notwendig seien.

Nina Warken im Live-Stream

Auf solche Szenarien geht Nina Warken nicht ein, als sie ans Rednerpult tritt. Die scherzhafte Frage der Moderatorin, ob sie Geld mitgebracht habe, kann sie nicht wirklich amüsieren. Sie ist spürbar angespannt. Das Auditorium im improvisierten Tagungsraum, durch Stellwände abgetrennt vom Trubel der Medizintechnikmesse Medica, ist überschaubar. Aber die Veranstaltung wird im Live-Stream bundesweit verfolgt. Jede Nebenbemerkung Warkens wird registriert und interpretiert werden. Die Phase, in der die Interessenvertreter im Gesundheitswesen eine neue Ministerin mit Freundlichkeiten überhäufen (in der Hoffnung, dass sich das irgendwann auszahlen möge), ist längst vorbei. Warken weiß, dass es für sie ungemütlich werden kann, wenn von den Kliniken landauf landab gegen ihre Politik mobil machen sollten. Eine Prognose, eher als kaum verhüllte Drohung zu verstehen, hatte Gaß in seiner Rede untergebracht: Kommunen, die gezwungen seien, Verluste ihrer Hospitäler auszugleichen, könnten sich gezwungen sehen, Leistungen für ihrer Bürgerinnen und Bürger zu streichen.

Die Klagen gekontert

Warken sagt den Repräsentanten der Krankenhäuser Kommunikation zu, „auch dann, wenn man nicht einer Meinung ist.“ Sie lobt den anwesenden Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens („Lieber Karl-Josef“), der mit seiner Krankenhausreform Pionierarbeit geleistet habe.

Warken liest ihre Rede ab, spricht klar und deutlich. Das wirkt selbstbewusst. Aber angespannt ist sie: Sie blickt während ihres Vortrags nur in eine Richtung. An kritischen Stellen spricht sie eine Spur zu schnell.  Inhaltlich ist die Gegenrechnung, die Warken den Klinik-Interessenvertretern aufmacht, fundiert. Diese Politikerin mag noch nicht jedes Detail im Gesundheitswesen kennen. Für Fragen aus dem Publikum steht sie nicht zur Verfügung. Aber ein X für ein U vormachen, das lässt sie sich nicht.

Nina Warkens Hauptziel: Stabile Beiträge

Warken stellt fest: Um neun Prozent oder zehn Milliarden Euro nehmen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für stationäre Behandlungen 2025 voraussichtlich zu. 2026 sei ein ebenso starker Anstieg zu erwarten gewesen, wenn die Regierung nicht gehandelt hätte. Beifall für die Sparbeschlüsse erwarte sie nicht, sagt sie. „Es wäre mir lieber gewesen, nicht vom ersten Tag an unter diesem enormen finanziellen Druck zu stehen. Wir haben ein System in tiefroten Zahlen übernommen.“ Dass es widersprüchlich aussieht, wenn den Kliniken gleichzeitig Geld gegeben und genommen wird, gesteht Warken zu. Aber sie stellt klar, dass es zum einen um einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt, zum anderen um eine Deckelung erwarteter Einnahmen aus Beitragsmitteln geht.

Die Beitragssätze hat die Politik Warkens Ansicht nach zu lange nicht im Blick gehabt. Man habe sich mehr geleistet, als man habe bezahlen können. Mehrfach stellt die Gesundheitsministerin das übergeordnete Ziel heraus, den Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung stabil zu halten. Die Regierung wolle die Wirtschaft in Schwung bringen „Ständig steigende Sozialabgaben sind da Gift.“

Das Klagelied der Verbandsvertreter kontert Warken mit dem kurzen Hinweis, dass die Krankenhäuser auch 2026 Tarifsteigerungen für das Personal, die Pflegekräfte eingeschlossen, voll finanziert bekommen. Sie hätte ergänzen können: Jede andere Branche wäre darüber froh und glücklich.

Gemischtes Doppel der CDU

Diskussionsrunde Deutscher Krankenhaustag Medica 2025
Diskussionsrunde über Kosten im Gesundheitswesen © Heinz Stüwe

In Sachen Klinikreform verweist Warken auf mögliche Änderungen in den Ausschussberatungen des Bundestags, weicht in der Sache aber keinen Millimeter zurück. Auch für Krankenhäuser im ländlichen Raum sind ihrer Überzeugung nach Anforderungen an die personelle und sachliche Ausstattung zu stellen. „Dort ist ebenso die Qualität der Versorgung zu sichern.“ Ausnahmen von den Kriterien sind an die Zustimmung der Krankenkassen gebunden, was den Klinikgeschäftsführern nicht passt. Im Übrigen macht Warken deutlich, dass man ihr die Sorgen und Befürchtungen in ländlichen Regionen nicht erst nahebringen muss. Sie stamme selbst aus einer solchen. Warken ist Abgeordnete des Wahlkreises Odenwald-Tauber.

Als Landesminister Karl-Josel Laumann betont, die Beitragssätze könnten nicht einfach so weiter steigen, hat das gemischte CDU-Doppel einen ersten Punkt geholt. Sozialpolitik muss nach Überzeugung des altgedienten Kämpen immer auch den Erhalt der Arbeitsplätze im Blick haben. Laumann bedankt sich noch für die Milliardenzahlung aus dem Bundesetat an die Krankenhäuser. Warken lächelt zufrieden.

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